LR pixel Die 5 größten Werbe-Aufreger 2018 - Business of Content

Die 5 größten
Werbe-Aufreger 2018

Werbekampagnen müssen schon ein bisschen schocken oder überraschen, um sich von dem ganzen Einheitsbrei abzuheben. Sicher haben es die kreativen Köpfe bei Astra, BMW oder Sixt nicht böse gemeint, aber sie sorgten 2018 für Werbekampagnen mit erheblichem Aufreger-Potenzial. Content Marketing at it’s worst, oder doch nicht?

Bei diesen Kampagnen war der Shitstorm vorprogrammiert

Sixt scherzt über Unfalltote im Straßenverkehr

Content Marketing soll unterhaltsam und emotional sein, damit die Zielgruppe sich auch angesprochen fühlt und interessiert ist. Emotionen weckte Sixt 2018 in jedem Fall, allerdings keine positiven. Ein Aufkleber war der Stein des Anstoßes.

Ein geschmackloser Scherz auf Kosten von 382 Unfalltoten im Straßenverkehr. Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes starben 2017 genau so viele Radfahrer durch Autoraser wie „diesen einen Freund“. Nicht nur Autorin Carline Mohr ist entsetzt über so wenig Feingefühl. Auf den sozialen Netzwerken machen sich viele User Luft und prangern die Aktion lautstark an. Allerdings kann man hier das alte Sprichwort „Jede Werbung ist gute Werbung“ geltend machen. Für den Autovermieter zählt vor allem die Aufmerksamkeit. Der Sticker ist deshalb nicht der erste moralische Fehltritt. Body-Shaming, Sexismus und Provokation ziehen sich seit mittlerweile über 15 Jahren durch die Werbekampagnen.

Sexualisierte Blickfangwerbung in Kombination mit Fat-Shaming geht natürlich gar nicht, aber genau deshalb macht Sixt das Ganze: Um ein bisschen kostenlose Promo abzugreifen. Um mit der Empörung von vielen das Interesse weiterer zu wecken. Eine klare Content-Marketing-Strategie, die für das Unternehmen aufzugehen scheint und deshalb immer neue „Höhepunkte“ erreicht – Shitstorm hin oder her.

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Bundeswehr spielt Einsatzrisiko runter

Für einen weiteren Aufreger im Netz sorgte die Bundeswehr mit dieser Kampagne:

Die Gamescom lockt jährlich viele Tausende Spiele-Fans nach Köln. Die sollen sich zukünftig nicht mehr nur vor dem PC oder der Konsole ins Abenteuer stürzen, sondern selbst zum Soldaten in echten Einsätzen werden. Krieg als unterhaltsamen Zeitvertreib verkaufen, darf man das? Diese Frage beantworteten die zuständigen Content-Marketing-Experten offenbar mit ja und sorgten wie ihre Kollegen bei Sixt für emotionale Diskussionen. Denn im Zweifelsfall geht es hier wirklich um Leben und Tod. Kritik, die ein Sprecher der Bundeswehr folgendermaßen kommentierte: „Krieg spielen oder für den Frieden kämpfen? Mit der Plakatierung wollen wir junge Erwachsene im Umfeld der Gamescom zum Nachdenken bringen, wofür sie ihre Zeit bzw. Zukunft einsetzen.“

Mit Speck fängt man ja bekanntlich Mäuse und beim Nachwuchsproblem der Bundeswehr wird das Marketing auch schon mal ausgefallener. Da war sogar ein eigener Messestand bei der Gamescom drin. Man rückte mit schwerem Gerät an, um Werte wie Kameradschaft und den Einsatz für eine freie Welt zu repräsentieren. Dumm nur, dass Begriffe wie „Open World“ Gamern nicht nur räumliche Freiheit, sondern auch moralische suggerieren. Kollateralschäden werden da schnell Teil des Unterhaltungsprogramms. Ob das allerdings so gedacht war? Aufmerksamkeit bekam die Kampagne allemal und damit eine enorme Reichweite. Auch YouTube-Serien wie „Die Rekruten“, „Mali“ oder „Die Springer“ setzen dieses Konzept fort und orientieren sich damit am Content Marketing der amerikanischen Armee. Ein alter Hut also und trotzdem immer noch einen Aufreger wert.

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Astra provoziert mit „Wolle Dose kaufen“

In Zeiten von zahlreichen Rassismusdebatten und den erschreckenden Wahlerfolgen der AfD war zu erwarten, dass dieses Astra-Plakat auf der Reeperbahn nicht als einfacher Scherz wahrgenommen werden würde. Der Skandal folgte dann auch auf dem Fuße.


Zu retten war da leider nichts mehr, vor allem nicht, als St. Pauli via Facebook Stimmung machte. Astra war sich zunächst keiner Schuld bewusst und versuchte, die Wogen mit Kommentaren wie diesem zu glätten: „Es tut uns leid, dass du unsere Werbung rassistisch findest. Das war nicht unsere Absicht. Wir glauben nämlich gar nicht an so was wie Rasse. Wir glauben an Menschen. Große, kleine, dicke, dünne, weiße, braune, alle Menschen. Und wir glauben, dass sie alle ein Recht darauf haben, mal aufs Korn genommen zu werden – und über sich selbst zu lachen.“ Am Ende setzten sich die „keinen Spaß-Versteher“ – als die die Kritiker dargestellt wurden – aber durch und Astra stellte die Werbekampagne ein. So kann’s auch gehen, wenn man sich an provokantes Content Marketing heranwagt.

Astra sitzt mit den Rassismusvorwürfen aber nicht allein im Boot, auch Heineken erregte die Gemüter mit der „Lighter is better“-Ad.

Das Problem: „lighter“ kann sowohl „leichter“ als auch „heller“ bedeuten. Bei der Anzahl an schwarzen Darstellern, an denen das Bier im Clip vorbei zieht, für viele Zuschauer ein diskriminierender Move. Chance The Rapper wittert dahinter Methode und trifft damit den Nagel vieler Content-Marketing-Strategien auf den Kopf:

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Dr. Oetker legt sich mit Feministinnen an

Die Fußball-WM war für Deutschland schnell vorbei. Ein schwarzer Tag für die Anhänger der Nationalelf, die auf einen Triumph wie 1954 hofften – das Jahr, an welches wohl auch die Werbeschaffenden bei Dr. Oetker dachten, als sie diese Kampagne für den Schweizer Markt entwickelten.

Der Spirit des Feminismus’ der 1960er Jahre scheint wie weggeblasen. Backen für den Mann, ihn glücklich machen und das als kleines Frauchen hinterm Herd – das ist alles, an das die Supporter der modernen Frauenrechtsbewegung, wie beispielsweise Natascha Wey, beim Anblick der Anzeige denken konnten. Dabei steckt noch viel mehr Rollenklischee in der Ad: Jeder Mann steht natürlich auf Fußball und liebt seinen Verein mindestens genauso sehr (wenn nicht sogar mehr) wie seine Frau. Und was hat Dr. Oetker zu seiner Verteidigung zu sagen?

„Die Kampagne ‚Love Cake’ inklusive des aktuell öffentlich diskutierten Fußballmotivs wurde von einem Team ausschließlich aus modernen Frauen und teilweise auch Teilzeit arbeitenden Müttern entwickelt. Wir haben das Fußballmotiv jedoch offensichtlich nicht auf diese Weise interpretiert, sondern verstehen es auch mit einer gewissen Ironie“, erklärt ein Sprecher des Unternehmens „20min“. Reichweite durch Kontroverse sei nicht beabsichtigt gewesen. Fairnesshalber muss gesagt werden, dass es tatsächlich weitere, weniger streitbare Motive unter dem Motto „Back deine liebsten Fußball-Fans glücklich“ gab. Dr. Oetker ließ sich von der Kritik nicht beirren und zog die Kampagne weiter durch. Nach Deutschland kam sie aber nicht.

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BMW unterschätzt Diesel-Skandal

Ein Aufreger an sich ist und bleibt 2018 der Diesel-Skandal bei VW. Aber irgendwie kam den Content-Marketing-Strategen bei BMW nicht in den Sinn, dass folgender Slogan vielleicht etwas zynisch interpretiert werden könnte:

Werbetexter haben es aber auch nicht leicht: Schmissige Sprüche texten und dann auch noch die Diskussion um Schadstoffe und Fahrverbote im Hinterkopf haben müssen … Zur Ehrenrettung sei aber zu Bedenken gegeben, dass zahlreiche Augen über eine Kampagne gucken, bevor sie veröffentlicht wird. Man könnte also nicht einfach nur Gedankenlosigkeit, sondern Kalkül unterstellen. Als Marketing-Fail kann man die Anzeige aber dennoch nicht bezeichnen, auch wenn es allgemein so oder so ähnlich heißt. In puncto Aufmerksamkeit hat BMW klar gewonnen und wenn wir mal ehrlich sind: Jeder, der sich Autos wie den 8er anschafft, weiß, dass das mit Umweltfreundlichkeit wenig zu tun hat. Nachhaltigkeit ist bei so einer Zielgruppe also eh kein großes Thema. Die Ironie: BMW kam bislang weitgehend unbescholten durch den Abgas-Skandal – die Fahrzeuge gehören auch bei unabhängigen Nachmessungen im Realverkehr meistens zu denen mit der geringsten Schadstoffmenge.

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Was spricht für provokantes Content Marketing?

Es gehört schon Mut dazu, sich freiwillig einem Shitstorm auszusetzen, aber letztendlich lässt sich mit provokanter Werbung auch viel Geld verdienen. Man setzt sich von der langweiligen Konkurrenz ab, ist in aller Munde, schafft Reichweite und darauf kommt es an. Und noch einen Nutzen hat das Ganze: Statt teuer für Anzeigeplätze in reichweitestarken Medien zu bezahlen, werden die Kampagnen hier in zahlreichen Berichten umsonst platziert und verbreitet.

Allerdings will so eine Kampagne gut überlegt sein, gibt auch der Experte zu. Haben Kunden die Wahl, können sie ganz einfach zur Konkurrenz wechseln, die zurückhaltender, flauschiger wirbt. Unternehmen wie die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) haben hingegen ein Monopol und können sich dadurch mehr Freiheiten leisten.

BVG-Marketingleiter Frank Büch erklärt im „The Restless CMO“-Interview: „Selbstverständlich bedeutet Polarisierung, dass Menschen unterschiedlicher Auffassung sind. Auf der anderen Seite führt Polarisierung aber auch zu einer großen Reichweite und zu einer hohen Aufmerksamkeit.“

Damit hat er recht. Schwierig wird es aber bei Unternehmen wie Dr. Oetker, die eher für Heile-Welt-Kampagnen stehen und Familienwerte verkaufen wollen. Wann ist Provokation also sinnvoll? Schockwerbung ist nur dann wirklich sinnig, wenn ein Produkt, eine Dienstleistung oder Ähnliches beworben werden soll, das sowieso schon durch seine Art oder sein Design nicht den gängigen Konventionen entspricht. Dadurch steigt die Akzeptanz für überraschende und schockierende Werbeinhalte beim Verbraucher, weil er eh nicht mit etwas Normalem rechnet. Oft steckt hinter solchen Kampagnen auch das Ziel, wachzurütteln oder zum Nachdenken anzuregen, vor allem im Gesundheits- oder Sicherheitsbereich. Dass das manchmal schief gehen kann, ist ein Risiko, das viele Firmen bereit sind, zu tragen. Fingerspitzengefühl braucht’s dabei:

Ein paar interessante Zahlen zum Abschluss: Den Deutschen Werberat erreichten 2017 insgesamt 1.389 Beschwerden zu Werbekampagnen, in 530 Fällen stimmte der Werberat zu und entschied über die provokante Werbung. Immerhin bei 135 Kampagnen erkannte der Werberat einen Verstoß gegen den Werbekodex und erreichte in 121 Fällen, dass die Werbung gestoppt oder geändert wurde. Besonders sexistische Werbung gab es offenbar in den Sozialen Netzwerken.

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