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Content kocht hoch

Wer in Deutschland oder der Schweiz einen Supermarkt betritt, findet überall mindestens ein aufwändig gestaltetes Kundenmagazin. Lebensmittelhändler produzieren Wochenzeitungen, Kochbücher, Food-Magazine, Frauen-Journale, Zeitschriften zu den Themen Gesundheit und Nachhaltigkeit, selbst die Zielgruppe „Kinder“ wird mit eigenen Publikationen bedacht. Online finden sich zahlreiche Genuss-Communities und Websites der Händler. Für Business of Content Grund genug, mit einem der umtriebigsten Publizisten in diesem Segment zu sprechen.

Thomas Schwetje
Head of Marketing and Digital Services
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Dr. Thomas Schwetje ist Head of Marketing and Digital Services bei der Coop Genossenschaft der Schweiz. Er verantwortet u. a. die Genussplattform Fooby und den Weinclub Mondovino. Beide Portale wurden vielfach prämiert, zuletzt beim Best of Content Marketing (BCM) mit Doppel-Gold und einmal Silber. Das bescherte der Coop Schweiz den beachtlichen 12 Platz im BCM-Medaillenranking 2018.

Coop Schweiz ist publizistisch mit Fooby, Mondovino und der Coopzeitung sehr ambitioniert und vielfach ausgezeichnet am Start. Herr Dr. Schwetje, warum ist das Publizieren für den Lebensmittelhandel so interessant?

Da gibt es verschiedene Gründe:

Zum einen ist Food ein Thema, das die Menschen interessiert und über das sie sich gerne vertieft informieren. Da liegt es für den Lebensmittelhandel nahe, sich bei Food-Themen über redaktionelle Leistungen als kompetenter Partner zu positionieren und gleichzeitig die Sortimentskompetenz zu kommunizieren. Zum anderen ist der Food-Handel mediatechnisch prädestiniert, da er täglich in seinen Läden sehr hohe Kunden-Reichweiten hat und seine Läden zur kostengünstigen Distribution der Magazine nutzen kann. Schließlich spielt auch noch der unmittelbare Zugang zur FMCG-Branche eine wesentliche Rolle, wodurch über Anzeigenvermarktung, Product Placements und z. B. Gewinnspiele zahlreiche Möglichkeiten zur Refinanzierung über die Markenartikelindustrie bestehen.

Bei Coop in der Schweiz haben wir dann noch den Sonderfaktor, dass wir als Konsumentengenossenschaft seit über 100 Jahren mit der Coopzeitung eine wöchentliche Gratiszeitung mit durchschnittlich 120 Seiten Umfang an unsere Mitglieder herausgeben, mit welcher wir eine wöchentliche Leserreichweite von über 50 % der Schweizer Bevölkerung erreichen (wöchentliche Auflage 2.58 Mio).

Wachstum findet auch im Lebensmittelhandel online statt. Wie unterstützen Fooby und Mondovino konkret dieses Wachstum bei Coop?

Bei Mondovino haben wir neben den redaktionellen Clubaktivitäten und speziellen Angeboten für die Club-Mitglieder eine E-Commerce-Plattform für Wein lanciert. Hiermit erwirtschaften wir unmittelbar signifikante E-Commerce-Umsätze, gerade auch weil wir im SEO-/SEA-Bereich in der Schweiz durch unsere Contentvielfalt eine einzigartige Marktposition erlangen konnten.

Bei Fooby unterstützen wir den E-Commerce in zweierlei Hinsicht: Einerseits bieten wir auf der Fooby-Plattform den Nutzern die Möglichkeit, bei jedem Rezept direkt mit einem Klick sämtliche Zutaten bei unserem Online-Lebensmittelshop Coop@home zu bestellen. Zum anderen stellen wir Coop@home sämtliche Fooby-Rezepte zur Nutzung im eigenen E-Commerce-Umfeld zur Verfügung, um Kunden, die gerade online einkaufen, über die Rezepte Koch-Inspirationen zu geben. Auch hier kann der Kunde natürlich wieder mit einem Klick sämtliche Zutaten eines Rezeptes in den Warenkorb legen.

Wie sieht die Verzahnung mit dem PoS aus?

Hierauf haben wir sowohl bei Mondovino als auch bei Fooby besonders großen Wert gelegt.

Bei Mondovino können die Nutzer einerseits auf unserer Online-Plattform bei jedem Wein nachvollziehen, in welchem unserer knapp 1.000 Läden der spezifische Wein aktuell erhältlich ist – inklusive Umkreis-Suche etc. Zudem kann sich der Kunde jeden Wein des Mondovino-Sortiments auch in unsere stationären Filialen zur Abholung bestellen, unabhängig davon, ob dieser Wein in der spezifischen Filiale gelistet ist oder nicht. Im Laden selbst kann der Kunde jedes Weinetikett mit der Mondovino-App scannen und erhält sämtliche auf der Mondovino-Plattform verfügbaren Zusatzinformationen zu diesem Wein (z. B. Provenienz, Winzer, Trinkreife, Rebsorten, passendes Essen, Kundenbewertungen etc.) auf sein Handy.

Bei Fooby achten wir zunächst darauf, dass sämtliche Zutaten eines Rezeptes in einem Großteil unserer Filialen auch erhältlich sind. Ergänzend hierzu haben wir in jedem Laden einen zentral platzierten Rezeptständer mit zehn monatlich wechselnden Rezeptkarten. Zudem bieten wir auch direkt am Regal Rezept-Tipps und Food-Wissen zu spezifischen Produkten an.

Fooby Cover Content Marketing
Cover der Printausgabe des Fooby Magazins vom Sommer 2018

Was unterscheidet Ihre Art des Content Marketing von der der Konkurrenz? Was zeichnet z. B. Fooby gegenüber Migusto aus, der Genuss-Plattform Ihres Konkurrenten Migros?

Die Konsumenten spielen uns zurück, dass sie bei Fooby eine besondere Leidenschaft fürs Essen und eine große Detail-Liebe wahrnehmen, was auch in der besonders attraktiven Food-Fotografie zum Ausdruck kommt. Auf unserer Plattform legen wir zudem Wert auf sehr hochwertig produzierten Bewegtbild-Content und die enge, exklusive Zusammenarbeit mit den erfolgreichsten Foodbloggern der Schweiz, Köchen und Partnern wie Gault&Millau. Und schließlich haben wir unsere unglaublich beliebte Fooby-App, die sich von den erfolgreichsten Rezept-Apps der Welt hat inspirieren lassen.

Am Ende des Tages ist aber all das zurückzuführen auf die Mitarbeiter, die hinter Fooby stehen. Wir haben es hier geschafft, ein Team aufzubauen, das Food über alles liebt und lebt – und genau das spüren die Nutzer.

Können Sie etwas über den Traffic auf Fooby sagen? Wie viele User besuchen das Portal monatlich und welches sind die beliebtesten Formate?

Im April erreichten wir mit über 1 Mio. Unique Usern rund 1.9 Mio. Visits und über 7 Mio. Pageimpressions. Damit sind wir nach nur 16 Monaten die am zweithäufigsten genutzte Kulinarik- und Rezeptplattform der Schweiz. In einem Themenumfeld, das bisher den Traffic zu über 80 %  durch SEO unterstützte Suchanfragen generierte – wesentlicher Treiber dabei ist die Anzahl Rezepte –, haben wir es geschafft, mit der aktuell im Wettbewerbsvergleich geringsten Rezeptanzahl aller Plattformen (Fooby ca 2.000 Rezepte / Wettbewerbsschnitt > 6.000 Rezepte), über schnellen Markenaufbau und eine gezielte Push-Strategie das Verhältnis in 80 % direkten Traffic und nur 20 % Traffic über Suchanfragen umzukehren.

Apero Schweiz Starter

Unter den Fooby-Rezepten gibt es eine eigene Rubrik „Apero-Rezepte“ – in Deutschland undenkbar. Haben die Schweizer eine größere Kompetenz in Sachen Savoir Vivre als die Deutschen?

Die Schweizer messen dem genussvollen Essen und dem Wein definitiv eine größere Bedeutung zu als wir Deutschen. Und der Apero, kleine Häppchen mit einem Glas Wein oder Prosecco, ist in der Schweizer Gesellschaft – ob im Büro oder privat – genauso wenig wegzudenken wie Raclette oder Käse-Fondue.

Bei Fooby wird eine Community aus Fooby-Redakteuren, einem Spitzenkoch und Food-Bloggern vorgestellt. Warum gehören ambitionierte Hobbyköche, die Zielgruppe des Portals, nicht dazu?

Das stimmt so nicht. In unseren Print-Titeln berichten wir zum Beispiel regelmäßig über Leserrezepte und rufen zur aktiven Teilnahme auf, zum Beispiel in der Rubrik „Bei Grosi schmeckt’s am besten“. Uns ist es jedoch wichtig, die Kontrolle über die Rezeptqualität und die Food-Fotografie zu behalten. Sämtliche Rezepte, auch jene der Köche und Food-Blogger, werden bei uns auf ihre Geling-Garantie hin überprüft. Auch stellen wir, wie oben erwähnt, sicher, dass sämtliche Zutaten bei uns erhältlich sind. Und schließlich ist der sehr genussvolle Foto-Stil wesentliches Marken- und Differenzierungselement von Fooby. All dies lässt sich in einem Crowdsourcing-Ansatz von Rezepten nicht mit hinreichender Qualität managen – daher überlassen wir dieses Feld gerne Portalen wie zum Beispiel chefkoch.de

Fooby ist 16 Monate am Start und bereits vielfach ausgezeichnet, die App wurde über 250.000 Mal heruntergeladen. Sie haben offenbar einiges richtig gemacht. Allerdings lernt man aus Fehlern am meisten. Wo haben Sie im ersten Jahr am meisten Lehrgeld zahlen müssen?

Großes Lehrgeld mussten wir bei Fooby zum Glück noch nicht zahlen. Was uns jedoch überrascht hat, war, dass anfänglich fast mehr über den Namen „Fooby“ diskutiert wurde, als über die Inhalte und Leistungen. Das hat sich jedoch zum Glück nach ein paar Wochen gelegt und heute wird der Name Fooby als selbstverständlich und auch zur Leistung passend wahrgenommen. Daneben sind es ganz viele kleine Learnings, die uns Fooby kontinuierlich optimieren lassen. Zum Beispiel, welcher Content auf welchem Endgerät zu welchem Zeitpunkt funktioniert oder eben nicht. Auch haben wir bereits nach kurzer Zeit gemerkt, dass wir anfänglich zu wenig familientypische und einfache Rezepte auf der Plattform hatten und haben das dann entsprechend korrigiert. Und positiv überrascht waren wir, dass Fooby auch bei vielen älteren Kunden ausgesprochen gut ankommt – hier hatten wir aufgrund des frischen Auftritts und der zum Teil lockeren Sprache vermutet, in der Zielgruppe weniger Fans gewinnen zu können.

Fooby Innenseite Content Marketing
Vorher/Nachher-Story à la Fooby aus der Printausgabe Sommer 2018

Was ist für die Zukunft geplant bei Fooby, welche Ziele wollen Sie erreichen?

Die Pipeline ist bereits auf Monate mit Projekten gefüllt. Wir wissen aber auch, dass wir immer dann besonders erfolgreich sind, wenn wir unsere Kunden, aber auch die Wettbewerber mit neuen Leistungen überraschen und keine Ankündigungskommunikation betreiben.

Wie sieht es mit Markenkooperationen zur Refinanzierung aus? Es gibt zwar eine Partner-Seite auf Fooby, das alles aber sehr dezent.

Grundsätzlich sind wir in der Vermarktung unserer Content-Angebote und Publikationen sowie auch unseres PoS sehr stark aufgestellt und sichern uns hier wichtige Einnahmequellen.

Bei Fooby  haben wir jedoch ganz bewusst entschieden, dass wir die Plattform und auch die Magazine ohne jegliche Geschäftspartnerfinanzierung betreiben wollen. Wir verzichten hier zwar vordergründig auf sehr viel Geld, bei Fooby wollen wir aber bewusst keinerlei Kompromisse an die Markenartikelindustrie eingehen und volle Glaubwürdigkeit aus Kundensicht bewahren.

Geschäftspartnern, die gerne in einem kulinarischen Umfeld Werbung schalten möchten, stellen wir mit jährlich 52 Coopzeitungs-Ausgaben und jährlich ca. 20 Hochglanz-Magazinen (Weihnachten, Ostern, Grillen, Beauty, Family-Magazine etc.) zahlreiche andere attraktive Gefäße für ihre Werbung zur Verfügung.

Als Head of Marketing and Digital Services bei Coop sind Sie auch für den Weinclub Mondovino verantwortlich. Das Portal hat beachtliche 150.000 Mitglieder. Wie konnten die gewonnen werden?

Anfänglich durch einen vergleichsweise hohen Werbedruck, durch konsequente SEO/SEA-Optimierung und in den letzten Jahren primär über positive Mund-zu-Mund-Kommunikation der Mitglieder.

Kommen wir zum Schluss auf die wirklich wichtigen Themen des Lebens: Wie schneidet die Schweiz bei der WM ab?  Und was essen und trinken Sie, wenn Sie die Spiele gucken?

Die Schweiz hat ja bereits das Achtelfinale erreicht – danach ist bekanntlich immer alles möglich. Zu Essen gibt es bei uns i.d.R. Apero-Gebäck und vor 18 Uhr trinke ich in der Regel Wasser, zwischen 18 und 20 Uhr unser regionales Bio-Bier und ab 20 Uhr dann einen guten Tropfen Schweizer Wein.

Klingt nach einem guten Plan! Vielen Dank für das Gespräch, Thomas Schwetje.